Nicht einmal das Schweigen
Im Namen der gesamten Produktion freuen wir uns außerordentlich über Aslý Erdoðans geglückte Ausreise aus der Türkei. Nach ihrer Gefangenschaft von Juni—Dezember 2016 wurde der Autorin bis zum September diesen Jahres die freiwillige Ausreise von der türkischen Regierung verwehrt. Bis zu ihrer kürzlichen Abreise am 20. September zur Preisverleihung des Erich—Maria—Remarque—Friedenspreises in Osnabrück, blieb ihr Reisestatus daher unklar und mit großer Unsicherheit behaftet. Bis zuletzt hat der Cocon—Verein die emotional aufgeladene Situation der Autorin hoffnungsvoll mitverfolgt und gratuliert Aslý Erdoðan nun zur wiedergewonnen Freiheit und der verdienten Anerkennung ihres schriftstellerischen und politischen Schaffens. Besonderes Augenmerk möchten wir auch auf den ersten persönlichen Austausch zwischen Aslý Erdoðan und Emel Heinreich während der Preisverleihung in Osnabrück richten. Aslý Erdoðan hat die Gespräche über das Projektvorhaben mit großem Interesse aufgenommen. Nicht minder freuen wir uns darüber, dass Aslý Erdoðan nun die Möglichkeit haben wird, direkt in Wien mit uns zusammenzuarbeiten.
Des Weiteren kann die Produktion auf internationaler Ebene weitere Fortschritte verzeichnen. In Zusammenarbeit mit Frau Brigitte Walk wurde in Zürich um eine Kooperation angefragt. Hier bereitet der Cocon—Verein Förderanträge für die Saison 2018/19 vor. Ebenfalls vermittelt wurden uns Kontakte nach Krakau, um uns mit der polnische Region in Beziehung setzen zu können.
Nicht zuletzt konnten wir für unsere Video—Installation „Ich lese Aslý Erdoðan“, unter der Leitung von Petra Paul, einige namhafte Personen gewinnen. Neben Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek freuen wir uns u.a. über Beiträge von Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedziec und Assoz. Prof. Mag. Dr. Anna Babka. Vom ORF dazugewinnen konnten wir Frau Silvana Meixner aus der Minderheiten—Redaktion und TV—Redakteurin Susanne Riegler. Chefredakteurin des Magazins Neue Welt Frau Dr. Joanna Nittenberg wird ebenso teilnehmen, wie auch weitere namhafte PolitikerInnen und SchriftstellerInnen.
Der Cocon Verein für die Entwicklung und Umsetzung von Kunstprojekten definiert sich als eine Produktionsplattform für sozialkritisches und politisches Theater.
Aktuelle gesellschaftliche Themen und Krisen sind die zentralen Gebiete seiner Arbeit. Sehr wichtig ist, dass das Publikum nicht unberührt bleibt, sondern das Geschehen auf der Bühne emotional miterleben und sich damit identifizieren kann. Darüber hinaus sind Künstlerausbildung und —beratung für künstlerische Konzepte und deren Verwirklichung die Hauptaufgabe des Vereins.
Die Physikerin Aslý Erdoðan zählt mittlerweile zu den international renommiertesten türkischen Schriftstellerinnen – Symbolfigur für den Kampf um Meinungsfreiheit, gegen politische Willkür und Diskriminierung in der Türkei, die im Rahmen der „Säuberungen“ nach dem gescheiterten Militärputsch des Vorjahres wegen ihrer Beiträge in der kurdisch—türkischen Zeitung Özgür Gündem vier Monate lang inhaftiert war.
Nach einer international ausgeübten wissenschaftlichen Laufbahn hatte sie begonnen, sich ausschließlich dem Schriftstellerinnentum zu widmen – mit ihrem dritten Buch Die Stadt mit der roten Pelerine gelang der internationale Durchbruch. Doch sie schrieb nicht nur anerkannte und vielfach übersetzte literarische Werke wie Kurzgeschichten und Romane, sondern verfasste auch Kolumnen in kritischen türkischen Zeitungen.
Als Schriftstellerin arbeitete Aslý Erdoðan, Trägerin zahlreicher Literaturpreise, unter anderem in Zürich und Graz. Zuletzt erhielt sie den Bruno—Kreisky—Preis für Menschenrechte, sowie die Theodor—Heuss—Medaille. Die Preise wurden in ihrer Abwesenheit übergeben – zu diesem Zeitpunkt war die Schriftstellerin in der Türkei in Haft.
Für die Bühne hat Aslý Erdoðan bislang noch nichts verfasst. Ihr strukturell politisches Engagement mit den subtilen Mitteln ihrer Kurzgeschichten, Romane und Essays, die sie nach ihrer Haftentlassung im Vorjahr als „unpolitisch“ bezeichnete, ist gleichwohl ein besonders geeignetes wie herausforderndes Thema für die zeitgenössische Bühne, gerade im Zusammenwirken von kritischem Engagement und hohem literarischen Raffinement, eine Verbindung, welche die Autorin bis zur Inhaftierung im vorigen Jahr immer wieder herausforderte.
Aslý Erdoðans Werk soll in Kooperation mit der Autorin in der geplanten Theaterproduktion erstmalig auch für die Bühne genutzt werden. Die Autorin ist gleichzeitig die „Hauptperson“ des Stückes, doch in vielfach verschobener Form – zentraler Ausgangspunkt werden ihre Texte sein, eine von Aslý Erdoðan selbst durchgeführte Auswahl ihrer Texte speziell für diese Theaterproduktion, eine Textcollage, welche in ihrer unmittelbaren Form in unterschiedliche theatrale „Textkörper“ einfließen werden.
Die Textcollage führt Texte zusammen, die in verschiedenen Phasen der Biographie der Autorin entstanden sind, Fragmente daraus, ebenso wie die Rekonstruktion einer Lebensgeschichte sich aus diversen Fragmenten zusammensetzt. Diese ausgewählten Texte werden unter dem Aspekt ihrer lebensgeschichtlichen Erfahrungen von der Autorin neu betrachtet und zusammengesetzt.
Aslý Erdoðan erfährt weltweites Interesse. Zuletzt erhielt sie nicht nur, wie bereits erwähnt, den Bruno—Kreisky—Preis für Menschenrechte und die Theodor—Heuss—Medaille, sondern auch den Kulturpreis der Europäischen Kulturstiftung „Princess Margriet Award for Culture“ in Amsterdam, sowie den Erich—Maria—Remarque—Friedenspreis in Osnabrück. Uns ist es daher ein großes Anliegen diese einmalige wie exemplarische Zusammenarbeit mit Asli Erdoðan einem vielfältigen Publikum zugänglich zu machen.
In Gesprächen mit Harald Posch und Ali M. Abdullah wurden wir eingeladen, unsere theatrale Produktion im Werk X Wien zu zeigen. Geplant ist weiters eine Tournee in Österreich, die unter anderem nach Graz und Bregenz führen soll. Gespräche mit dem Schauspielhaus Graz und dem TaO!—Theater, sowie dem Theater Kosmos Bregenz sind bereits veranlasst.
In Überlegung sind ebenfalls Aufführungs—Stationen jenseits österreichischer Grenzen, Berlin und andere deutsche Städte, Zürich und Krakau, ehemalige Schaffenssorte der Schriftstellerin. Diesbezüglich sind wir derzeit noch auf der Suche nach Kooperationspartnern.
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