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Asli Erdoðan eröffnet Reihe mit türkischen Autoren in Marbur

Marburg. Vielen gilt Rio de Janeiro als Stadt der Liebe, des Karnevals und der Lust, für Asli Erdogan, die zwei Jahre in der brasilianischen Metropole verbrachte, ist sie die Stadt des Elends und der Gewalt. „Die Stadt mit der roten Pelerine” hat sie ihren im sverlag erschienenen Roman über den Großstadtdschungel genannt, den sie am Mittwoch¬abend auf Einladung von „Strömungen”, „Roter Stern” und Medi¬akontakt Laumer im vollbesetzten Foyer des Marburger Techno—logiezentrums vorstellte.

Die Lesung war der Auftakt für eine von den Veranstn in den nächsten Monaten ge¬plante Reihe zur kulturellen Vielfalt der Türkei, die der Tat¬sache Rechnung trägt, dass das Land am Bosporus in diesem Jahr Gastland auf der Frankfur¬ter Buchmesse ist; und der Be¬such der Lesung macht Mut.
Bewegt wie das Lehen ihrer literarischen Heldin Özgür ist auch das der heute 40—jährigen Autorin, die in Istanbul Physik studierte, drei Jahre lang 14 Stunden täglich an einem Schweizer Kernforschungs—zentrum arbeitete und die es schließlich nach „Erfahrungen der Gewalt und des Todes von Schwarzafrikanern in Istan¬bul” Mitte der neunziger Jahre nach Rio getrieben hat.
Und die Gewalt, die ihre tür—kische Heimat in ihr einge¬pflanzt hat, erlebt Erdogan auch in Rio, macht sie nach¬denklich, schwermütig, wü¬tend: „Ich wäre verrückt ge¬worden/. wenn— ich nicht ge¬schrieben hätte, denn wenn man sich fragt, wer bin ich, wird man vertrieben aus der Selbstverständlichkeit”, sagt sie in Marburg und berichtet, dass sie nach ihrer Rückkehr aus Brasilien acht Monate ster¬benskrank in der Türkei im Bett zugebracht hat.
Acht ebenso schwere wie fruchtbare Monate, in denen der Roman entstand, der gleichsam eine reinigende Wir¬kung hatte und nun, zehn Jähre später, in der rühmenswerten „Türkischen Bibliothek” des sverlags, die Meilenstei¬ne der türkischen Literatur aus 100 Jahren enthält, endlich auch auf Deutsch vorliegt. „Als ich mit dem Buch fertig war, war ich geheilt”, erinnert sich Erdogan, und ein wissendes Lä—chelt huscht über ihr Gesicht.
Und so fremd wie sie in Rio war, ist dort auch Özgür, ihr Al¬ter Ego im Roman, mit der sich angesichts der beschriebenen
Gewfahrungen auch die Frage stellt, inwieweit es über¬haupt möglich ist, . autobio— grafisch zu erzählen.
Özgür ist fremd in ihrem ganzen Leben, das Rio zur Me—tapher werden lässt. Sie ist ei¬ne junge türkische Akademike¬rin, die sich von der faszinie¬renden wie bedrohlichen Stadt nicht lösen kann, die, angetrie¬ben von brasilianischen Rhyth¬men, wie in einem Strudel in die ineinander verschlunge¬nen Labyrinthe Rios gerät und wie beüäufig und zufällig den Tod findet.
„Die Stadt mit der roten Pele—rine” ist ein bemerkenswertes, fast lyrisches Werk, ein raffi¬niert erzählter mutiger und verstörender (Doppel—)Roman aus zwei Perspektiven, der an Grenzen geht und diese über¬schreitet, aber auch poetische Momente nicht scheut und Bil¬der findet, die im Gedächtnis haften bleiben, Sätze, die lan¬ge nachhallen: „Auf die Spitze getrieben wird die Begierde zur Parodie.”

1.1.1982
ALMANYA
Von Guntram


 

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