Aslı Erdoğan zu Gast im WERK X
Am 3. Februar 2018 wurde die türkische Schriftstellerin Aslı Erdoğan zu einer Podiumsveranstaltung vom WERK X und dem Kunst— & Kulturverein Cocon in Kooperation mit dem Bruno Kreisky Forum eingeladen. Es war die erste öffentliche Begrüßung der Autorin in Wien nach ihrer Gefangenschaft in der Türkei, und Erdoğan stellte ihr schriftstellerisches Werk im Rahmen einer Personale mit einer anschließenden Podiumsdiskussion vor.
Emel Heinreich, Deborah Gzesh, Zeynep Buyraç, Ulli Weish und Grace M. Latigo trugen zu Beginn der Veranstaltung Passagen aus mehreren Werken Erdoğans vor – untermalt von den Cello—Klängen von Margarete Deppe und begleitet von sporadischen Tanzeinlagen der ausdrucksstarken Brigitte Walk. Nach dieser halbstündigen künstlerischen Darbietung nahmen die Moderatorin Ani Gülgün—Mayr, der Journalist Hikmet Kayahan (er übernahm an diesem Abend die Funktion des Dolmetschers für Fr. Erdoğan) und die Schriftstellerin Aslı Erdoğan auf der Bühne Platz.
Auf die Frage, wie sie mit dem hohen Interesse an ihrer Person und den vielen Auszeichnungen im vergangenen Jahr – Grazer Menschenrechtspreis 2017, Stuttgarter Friedenspreis 2017 etc. – umgehe, antwortet Erdoğan, dass diese Bürde in der Tat nicht einfach für sie sei, zumal sie daran gewöhnt sei, unter Ausschluss der Öffentlichkeit in dunklen Räumen zu schreiben. Diesem plötzlichen Interesse an ihrer Person hafte zudem ein Hauch von Ironie an, da es nicht ihre Bücher, sondern diverse Zeitungsartikel gewesen seien, die zu dieser Entwicklung beigetragen hätten. Ihr sei eine Heldenrolle zugesprochen worden, die bei einigen anderen Frauen, die sie in ihrer Haftzeit kennengelernt habe, viel zutreffender sei. Erdoğan fühle sich den tausenden inhaftierten Menschen in der Türkei gegenüber dazu verpflichtet, nicht zu schweigen und weiterzuschreiben.
Erdoğan werde in regelmäßigen Abständen vorgeworfen, sie würde ihr schriftstellerisches Talent vergeuden, indem sie sich für Zeitungsartikel „hergebe“. Sie aber habe die Erfahrung gemacht, dass gerade diese Artikel das Leben mancher Menschen grundlegend zum Positiven verändern konnten – es könne sogar hin zu einer Freilassung aus der Gefangenschaft führen. Menschen, die nicht verstehen, wie wichtig es sei, diese Arbeit weiterzuverfolgen, würden auch nicht verstehen, welche Aufgabe die Literatur zu erfüllen habe.
Wie ist es in diesen schwierigen Zeiten, in denen Meinungsfreiheit nur unter Androhung von Strafe herrscht, zu schreiben?
Aslı Erdoğan antwortet schmunzelnd: „Sie sehen ja, wohin das führt“ und verweist auf ihren vor Kurzem beendeten viermonatigen Aufenthalt in einem türkischen Gefängnis. Sechs Monate, bevor sie inhaftiert wurde, schrieb sie den Artikel „This is your father“, bei dem schon ihre Mutter, nachdem sie den Text gelesen habe, mit Tränen in den Augen gemeint habe, dass sie solche Texte in der Türkei nicht mehr schreiben dürfe. Erdoğan sei gegenwärtig mit einer gewissen Unsicherheit konfrontiert, da sie immer noch unter Anklage stehe und auf die für den März 2018 vorgesehene Anklageschrift warte.
Nach einer kurzen Lesung aus einem ihrer Werke wurde dem Publikum bis zum Schluss der Veranstaltung die Möglichkeit eingeräumt, Fragen an Aslı Erdoğan zu stellen, die sie dann größtenteils auf Englisch beantwortete.
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